Magnus Carlsen gewinnt sein eigenes Turnier
Magnus Carlsen. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Magnus Carlsen gewinnt sein eigenes Turnier

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Weltmeister Magnus Carlsen hat am Sonntag das Magnus Carlsen Invitational Turnier gewonnen. Der Norweger sicherte sich durch seinen Finalsieg gegen Hikaru Nakamura den Siegerscheck in Höhe von $70.000 des Turniers, das vom 18. April bis zum 3. Mai online ausgetragen wurde.

Das Turnier kam auf Initiative des Weltmeisters höchstpersönlich zustande. Der Preisfonds von $250,000 lockte acht der besten Großmeister der Welt an ihre Computer. Hier seht ihr die Positionen, die die 8 Teilnehmer in der Weltrangliste vom April 2020 belegten:

Magnus Carlsen Invitational | Teilnehmer

# Weltrangliste Land Name Elo Schnellschach Geb. Jahr
1 1 Magnus Carlsen 2863 2881 1990
2 2 Fabiano Caruana 2835 2773 1992
3 3 Ding Liren 2791 2836 1992
4 4 Ian Nepomniachtchi 2784 2778 1990
5 5 Maxime Vachier-Lagrave 2778 2860 1990
6 10 Anish Giri 2764 2731 1994
7 18 Hikaru Nakamura 2736 2829 1987
8 21 Alireza Firouzja 2728 2703 2003

Das Turnier begann mit einer Einfachrunde, die in der ersten Woche ausgetragen wurde. Die vier besten Spieler qualifizierten sich für das Halbfinale. In der Vorrunde bestand jedes Duell aus vier Partien Schnellschach mit einer Bedenkzeit von 15 Minuten für die Partie plus 10 Sekunden pro Zug. Der Gewinner erhielt drei Punkte. Endete ein Duell 2 : 2 Unentschieden wurde noch eine Armageddon-Partie gespielt, die dem Sieger zwei weitere Punkte einbrachte. Der Verlierer dieser Partie bekam einen Punkt gutgeschrieben.

In der ersten Phase des Turniers wollten die meisten Schachfans GM Alireza Firouzja spielen sehen. Erst kurz vor dem Finale hatte das indische Wunderkind Carlsen beim Banter Blitz Cup, der mit $14.000 dotiert war, mit  8.5 : 7.5 geschlagen.

Im Duell gegen Firouzja gelang Carlsen aber die Revanche. Er gewann mit 2.5 : 1.5. Eine Partie in diesem Duell konnte Firouzja jedoch mit einer teuflischen Falle gewinnen:

Alireza Firouzja
Alireza Firouzja. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Manchmal nahm der Weltmeister seine Eröffnungen betont locker, was auch einige Male zu einem Eigentor führte. Zu Beispiel eröffnete er seine Partie gegen Maxime Vachier-Lagrave mit den Zügen 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Lc4?! , was sicher nur funktionieren kann, wenn der Gegner von diesem Zug völlig überrascht wird. 

Einige Tage später wiederholte Carlsen dann diese Züge gegen Ian Nepomniachtchi. Der Russe hatte sich die Partie von Carlsen gegen MVL aber wahrscheinlich angesehen, den Bauern geschlagen und nach einem weiteren Fehler des Weltmeisters bereits nach sieben Zügen eine Gewinnstellung auf dem Bildschirm.

"Ich hatte hier einen kompletten Blackout. Ich konnte mich einfach nicht erinnern, was ich tun sollte", sagte Carlsen anschließend. "Mein Geist war leer; ich habe einfach nichts gesehen. Es war nur total Irrsinnig."

Magnus Carlsen Invitational
Carlsen versuchte in den Eröffnungen einige wenig erfolgreiche Experimente. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

In seinem Match gegen Ding Liren unternahm Carlsen extravagante Eröffnungen wie das Königsgambit mit Weiß und 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 h5 mit Schwarz. Oder auch die folgende Skandinavisch-Variante mit Schwarz, von der eigentlich bekannt ist, dass sie nicht gut ist für Schwarz:

Ding gewann das Match mit 3:1. Nachdem er schon letztes Jahr in den Playoffs des Sinquefield Cups gegen Carlsen gewonnen hatte, war dies nun das zweite Mal, dass er ein Mini-Match gegen den Weltmeister gewinnen konnte.

Ding Liren
Ding Liren. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Neben Ding und Carlsen hatten sich noch Fabiano Caruana und Nakamura für das Halbfinale qualifiziert und die beiden Amerikaner mussten auch gleich gegeneinander spielen.

Magnus Carlsen Invitational | Vorrunde

# Land Spieler 1 2 3 4 5 6 7 8 BP MP
1 Hikaru Nakamura 2 2 2 2 16½ 15
2 Ding Liren 2 3 2 2 2 16 15
3 Magnus Carlsen 2 1 3 2 14½ 13
4 Fabiano Caruana 2 2 1 3 14½ 13
5 Ian Nepomniachtchi 2 2 2 13 8
6 Alireza Firouzja ½ 1 2 11½ 7
7 Anish Giri 2 1 12½ 7
8 Maxime Vachier-Lagrave 2 2 2 3 13½ 6

Alle Vorrundenpartien zum durchklicken und herunterladen

Das Halbfinale und das Finale hatten ein etwas längeres Format. Im Falle eines Unentschieden nach den beiden Schnellschach-Partien würden bis zu vier Blitzpartien mit fünf Minuten + drei-Sekunden folgen.

Nakamura-Caruana 4:2

Das rein amerikanische Duell begann mit 2 Remis. Dann konnte Nakamura mit Schwarz gewinnen. Caruana stand somit unter Siegzwang und zauberte mit Schwarz eine Partie, die man nicht so leicht vergessen wird, aus seinem Computer:

Fabiano Caruana
Fabiano Caruana. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Jetzt mussten Blitzpartien entscheiden und wieder gelang Nakamura ein Sieg mit den schwarzen Pixeln. Jetzt behielt er aber auch mit Weiß jederzeit die Kontrolle:

"Ich dachte, ich hätte drei wirklich gute Partien gespielt, aber in der vierten Partie haben mich meine Nerven im Stich gelassen. Am Ende habe ich dann aber doch noch das Finale erreicht," sagte Nakamura.

Carlsen-Ding 2.5:1.5

Im Halbfinale entschied sich Carlsen für solidere Eröffnungen und erreichte in der ersten Partie mit einem Londoner System ein Remis. In der zweiten Partie unterlief ihm jedoch nach fünfminütigem Nachdenken ein schwere Fehler. Es nannte das später "einen Anfall von Blindheit".

Nachdem Carlsen in der dritten Partie schlecht aus der Eröffnung gekommen war, stand Ding schon mit einem Bein im Finale. Diesmal entwickelte sich das Londoner System zu einem Fehlzünder. Dann ließ Ding jedoch ein Gegenspiel zu und bald darauf brach seine Stellung zusammen. Zu allem Überfluss übersah er dann kurz vor Schluss noch ein Remis:

Auch die vierte Partie war bis zum Schluss spannend. Gerade als Carlsen dabei war, einen Angriff auf dem Königsflügel aufzubauen, fand Ding das tolle Manöver 21.Tb2, 22.De1 und 23.Te2 und hielt damit seine Stellung zusammen. Bald darauf schienen sich die Spieler schon mit einer Zugwiederholung zufriedenzugeben, aber mit nur noch wenig Bedenkzeit entschied sich Ding plötzlich doch noch, weiterzuspielen. Er hat gezockt und verloren:

"Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal mit einem Sieg so zufrieden gewesen bin, wie heute", sagte Carlsen. "Dieses Match war hart und wenn ich in Bestform bin, denke ich, dass ich gewinnen würde. Dass ich aber unter diesen Umständen wirklich alles aus mir herausholen konnte, ist ein absolut großartiges Gefühl."

Magnus Carlsen
Carlsen hat sich über seinen Sieg gegen Ding sehr gefreut. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Carlsen-Nakamura 2.5:1.5

Diese beiden Spieler haben schon 2 Finals auf Chess.com bestritten: Das Grandmaster Blitz Battle 2016 und das Finale der Speed Chess Championship 2017. Beide Duelle hat Carlsen knapp gewonnen und auch am Sonntag zeigte er, wer der Herr im Hause ist. Es war aber wieder extrem knapp.

Im Finale ging Carlsen keine Eröffnungsexperimente mehr ein und wählte für die erste Partie die solide 1.c4 Eröffnung. Nach Nakamuras Zug 14...Nd4 erreichte Carlsen ein vorteilhaftes Endspiel, indem er im "Magnus-Style" seinen Gegner 60 Züge lang zermürbte und geduldig auf den Fehler wartete, der dann irgendwann auch kam.

Durch seinen Sieg in der nächsten Partie konnte Nakamura das Finale aber spannend halten. Danach gab Carlsen zu, dass die Wahl seiner Eröffnung vielleicht nicht optimal war: Sie ist zu passiv und Nakamura hat extrem viel Erfahrung damit.

Man sieht nicht alle Tage, dass Nakamura den Weltmeister so hilflos aussehen lässt und einen so überzeugenden Sieg landen kann. Carlsens Kommentar zu dieser Partie: "Anscheinend kann ich einfach nicht mehr verteidigen!"

Hikaru Nakamura
Nakamura spielte eine seiner besten Partien gegen Carlsen. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Aber als wäre nichts passiert, hat der Norweger dann die nächste Partie auf für ihn ganz untypische Weise gewonnen. Es sah so aus, als hätte er den Amerikaner bereits in der Vorbereitung geschlagen. Der Zug 11.Sg5 war zwar zuvor schon von starken Großmeistern gespielt worden, aber Naka kannte ihn anscheinend nicht und verbrauchte dort ganze drei Minuten auf der Uhr.

In der Vorrunde konnte Nakamura zweimal nach einem Rückstand zurückschlagen und Carlsen benötigte das Armageddon, um den Amerikaner zu besiegen. Zusammen mit den bisherigen Finalpartien, haben die beiden jetzt sieben Partien gespielt und siebenmal hat Weiß gewonnen!

Nakamura hätte es um ein Haar geschafft, dass auch die achte Partie mit einem Sieg für Weiß endet, aber er konnte in einem wohl gewonnenen Turmendspiel den Gewinn nicht finden:

"Ich denke, dass ich heute besser als gestern gespielt habe," sagte Carlsen. "Die beiden Weißpartien waren ziemlich gut. Die letzte Partie war natürlich ein Chaos. Ich habe ohne jeglichen Grund dieses 27.Td7 Zeug zugelassen, anstatt in ein komfortables Remis überzuleiten. Es war ein harter Kampf, aber ich bin glücklich, dass ich ihn als Sieger beenden konnte."

Nakamura bekommt für seinen zweiten Platz $45,000 überwiesen. Ding und Caruana gewannen je $30,000. Nepomniachtchi freut sich sicher über die $22,500 sicher genauso, wie Firouzja über seine $20,000, Giri über $17,500 und MVL über $15,000.

Alle Finalpartien zum durchklicken und herunterladen



PeterDoggers
Peter Doggers

Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms. Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools. Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013. As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”

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